Nicht nur im Berufsalltag befinden wir uns regelmäßig in Situationen, in denen uns die sogenannten Wahrnehmungs- und Beobachtungsfehler einen Streich spielen können. Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen, damit Sie sich bei Einstellungs- oder Mitarbeitergesprächen nicht trügen lassen und sich eine objektive Meinung bilden können.

In diesem Beitrag gehen wir auf die 5 häufigsten Wahrnehmungs- und Beobachtungsfehler ein und zeigen Ihnen, worauf Sie achten sollten und wie Sie sich in entsprechenden Situationen kritisch selbst hinterfragen können.

  1. Halo-Effekt

Der Halo-Effekt oder auch Heiligenschein-Effekt beschreibt das Phänomen, dass einzelne positive oder auch negative Merkmale das Gesamtbild „überstrahlen“. Das kann dazu führen, dass eine positive Eigenschaft des Gegenübers den Betrachter dazu verleitet, nur noch positive Eigenschaften zu implizieren. Oder eine negative Eigenschaft führt dazu, dass dem Gegenüber nur noch negative Eigenschaften zugewiesen werden.

Beispiele können unter anderem sein: weniger attraktive Menschen, werden oftmals mehr negative Eigenschaften zugeschrieben – und umgekehrt. Auch bei Vor- und Nachnamen wird dieses Phänomen ebenfalls häufig beobachtet.

Tipp: Lassen Sie sich davon nicht beeinflussen und stellen Sie keine Schlussfolgerungen „ins Blaue hinein“. Sie tun Ihrem Gegenüber womöglich unrecht und können durch Ihre voreiligen Schlüsse nicht fair beurteilen.

  1. Primär-Effekt

Der Primär-Effekt ist im Prinzip nichts anderes als der berühmte „erste Eindruck“. Hier ist es so, dass alle folgenden Wahrnehmungen und auch Informationen so gewertet werden, dass sie den ersten Eindruck nachhaltig untermauern – da sie schlicht und einfach ins Bild passen.

Deshalb ist der Primär-Effekt sehr ähnlich zum Halo-Effekt: abweichende Eigenschaften werden einfach nicht mehr gesehen.

Tipp: Lassen Sie sich nicht zu sehr von Ihren Eindrücken zu einem Urteil verleiten – besonders nicht von den ersten. Ihre Intuition ist wichtig, aber schießen Sie sich nicht innerhalb des ersten Augenblicks auf Ihr Gegenüber ein und bleiben Sie offen und unvoreingenommen.

  1. Rezenz-Effekt

Der Rezenz-Effekt steht dem Primär-Effekt gegenüber. Damit ist gemeint, dass Gesagtes am Ende eines Gespräches besonders viel Gewicht hat und entsprechend stark in die Wertung mit einfließt.

Sie kennen diesen Effekt sicher aus der ein oder anderen Präsentation – das Wichtigste kommt immer am Schluss, damit es besonders lang im Kopf bleibt.

Für Sie als Führungskraft bedeutet das: Ereignisse, die kurz vor einem Mitarbeitergespräch lagen, fallen unter Umständen deutlich mehr ins Gewicht, als Dinge, die bereits länger zurückliegen.

Tipp: Beachten Sie diesen Effekt bei der Vorbereitung auf Personalgespräche. Überlegen Sie, welche Ereignisse während des gesamten Beobachtungs- und Beurteilungszeitraums geschehen sind oder dokumentieren Geschehnisse entsprechend während des Beurteilungszeitraumes. So schaffen Sie eine gute Grundlage um den Mitarbeiter* objektiv und fair beurteilen zu können.

Es kann außerdem von Vorteil sein, wenn Sie Feedback-Gespräche mehrmals im Jahr führen – auch so können Sie den Rezenz-Effekt in der Personalbeurteilung vermeiden.

  1. Projektions-Effekt

Der Projektions-Effekt ist trügerisch, da er den Betrachter dazu verleitet, z.B. Sympathie aus Eigenschaften des Gegenübers abzuleiten, die er mit ihm gemeinsam hat. Manchmal reicht es schon, wenn man an der gleichen Universität studiert hat, das gleiche Hobby sein Eigen nennt oder man ebenfalls eine Schwäche für Hund, Katze oder Maus hat.

Den gleichen Effekt kann es aber auch in die Antipathie geben. Nur weil Sie etwas nicht mögen, macht das Ihr Gegenüber nicht schlechter.

Tipp: Lassen Sie sich nicht von Gemeinsamkeiten zu Beurteilungsfehlern verleiten. Natürlich ist es nett, wenn Sie und Ihr Gegenüber am Wochenende gern wandern gehen oder Rockkonzerte besuchen – dennoch sollte dies nicht dazu führen, dass Sie sich davon unter Umständen fehlleiten lassen.

  1. Erwartungs-Effekt

Dieser Effekt beschreibt das Phänomen, dass sich der Beobachter von ungeprüften Hypothesen leiten lässt.

Beispiele können sein:

  • Der Kandidat hat 10 Jahre im Verkauf gearbeitet – Hypothese: Er wird ein guter Verkäufer sein.
  • Der Mitarbeiter geht an den Wochenenden gern auf Techno-Partys tanzen – Hypothese: Der Kollege konsumiert wahrscheinlich Drogen.

Tipp: Menschen neigen mitunter zu solchen vermeintlich „logischen“ Hypothesen. Tappen Sie hier nicht in die Falle und lassen Sie sich nicht zu voreiligen Schlüssen verleiten.

Wie immer gilt auch hier: Fragen Sie nach!

Wichtig ist, dass Sie versuchen, sich selbstkritisch zu reflektieren.

Oft kann es helfen, wenn Sie einen Perspektivwechsel vornehmen. Vielen fällt es so leichter über den Tellerrand zu schauen und so eine differenzierte Beurteilung abgeben zu können.

Tipp: Auch für Ihre Mitarbeiter können diese Hinweise sehr hilfreich sein. Mit diesen können sie sich beispielsweise auf Mitarbeitergespräche vorbereiten.

Oder wenn es in Ihrem Unternehmen üblich ist, dass Kollegen der Fachabteilungen in Vorstellungsgesprächen potenzieller neuer Mitarbeiter dabei sind, kann es hilfreich sein, wenn auch sie sich der Wahrnehmungsfehler bewusst sind. Sie können somit ihre Beobachtungen unter Umständen deutlicher hinterfragen, was bei der Personalauswahl vor einer Fehlentscheidung schützen kann.

Praxis-Tipp: Beobachten Sie zunächst in einer Evaluationssituation (Interview, Assessment Center) das Geschehene und schreiben mit. Nur beobachten, nicht bewerten. Wenn Sie es schaffen, zunächst nur tatsächlich Gesehenes und Gehörtes zu notieren, ergeben sich zwangsläufig keine „Interpretationsfehler“. Erst am Ende des Gesprächs sollten Sie mithilfe der Beobachtungsnotizen eine Beurteilung ableiten.

Die Erfahrung zeigt, dass man seine Wahrnehmung schulen muss, sprich Sie müssen üben. Dies gilt natürlich auch für Ihre Mitarbeiter. Es ist bekanntermaßen schwierig, sich aus eingefahrenen Verhaltensmustern zu befreien. Aber probieren Sie es einmal aus, sie werden erstaunt sein, wie oft man sich der ein oder anderen Wahrnehmungsverzerrung hingibt.

Anna Mirabichvili – Marketing and Communications

 

*Allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei der Personenbezeichnung in diesem Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Die verkürzte Sprachform hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keinerlei Wertung. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter.