Wie Diversity in einem Unternehmen Denkwelten öffnen und somit zu kreativen Lösungsansätzen beitragen kann.

Im September 2018 unterschrieb die ageneo Life Science die Charta der Vielfalt, eine Arbeitgeberinitiative, die sich die Förderung von Diversität in Organisationen und Betrieben auf die Fahnen geschrieben hat und das größte Netzwerk für Diversity Management in Deutschland darstellt.

Diversität als Begriff ist sicherlich en vogue und findet sich in den meisten Leitlinien führender Unternehmen wieder. Durch diese inflationäre Verwendung des Begriffs mag bei dem ein oder anderen* der Eindruck entstehen, dass es sich in erster Linie um ein für Marketingzwecke missbrauchtes Buzzword ohne Inhalt handelt.

Doch egal welches Label wir benutzen, ob wir von Globalisierung, Migration, Demographie oder Inklusion sprechen, Diversität ist seit jeher ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft und das ist auch gut so!

Wie wir sind zahlreiche andere Unternehmen bemüht, diese Vielfalt nicht nur hinzunehmen, sondern sie zu begrüßen und von den Vorteilen einer bunt gemischten Belegschaft, die sich durch unterschiedliche Denkwelten, Perspektiven und Beiträge auszeichnet, zu profitieren.

Um all die verschiedenen Potenziale sinnvoll zu nutzen, bedarf es eines begünstigenden Umfeldes, einer innovativen und kreativen Unternehmenskultur, die die unterschiedlichen Stärken und Kompetenzen des Einzelnen integriert und einsetzt. Hier setzt das Diversity Management an, das diesen Prozess unterstützend begleiten sollte.

Ziele des Diversity Managements

Das ursprünglich aus den USA stammende Konzept des Diversity Managements hat sich zum Ziel gemacht, jedwede Diskriminierung von Mitarbeitern, sei es aufgrund unterschiedlicher Hautfarbe, Religion, Sprache, nationaler bzw. ethnischer Zugehörigkeit, sexueller Orientierung, unterschiedlichen Geschlechts, Alters oder eventueller Behinderungen zu unterbinden und das Unternehmen zu einer gelebten Multikulturalität mit flächendeckender Chancengleichheit zu führen.

Begreift man Diversity Management jedoch lediglich als Anti-Diskriminierungs-Tool, wird dies nicht zwingend zum gewünschten Unternehmenserfolg beitragen. Vielmehr müssen die bestehenden Unterschiede positiv wahrgenommen und in den Vordergrund gerückt werden, um die Potenziale einer durch Vielfalt geprägten Belegschaft zu fördern, die sich u.a. in hoher Perspektivenvielfalt, Innovationsbereitschaft und v.a. Kreativität äußert.

Diversität und ihr Stellenwert im kreativen Sektor

Zieht man die Ergebnisse der US-amerikanischen Adobe Studie Creativitys Diversity Disconnect heran, so bestätigen 87 Prozent der „creative professionals“, dass Vielfalt für die Kreativwirtschaft von essentieller Bedeutung ist, und das nicht nur auf Führungsebene, sondern für jeden einzelnen Mitarbeiter. Zudem räumen 76% der Befragten ein, dass sie nicht in einem Unternehmen arbeiten wollen, welches sich nicht ernsthaft mit dem Thema der Diversität auseinandersetzt.

Angesichts dieser Zahlen scheint es erstaunlich, dass Belegschaften, die sich durch eine hohe Heterogenität auszeichnen, oftmals hinter den Erwartungen zurück bleiben, was ihre Kreativität betrifft.

Die Gründe hierfür sind vielfältig und liegen u.a. in unterschiedlichen Verständnissen der Begriffe sowie in der Komplexität von Diversität und Kreativität.

Konzentriert man sich zunächst auf die Problematiken, die das Konzept Diversity mit sich bringt, lassen sich diese anhand von wenigen Beispielen grob umreißen. Exemplarisch werden daher der interkulturelle sowie der geschlechterspezifische Aspekt von Diversität herausgegriffen, um zu veranschaulichen, wie ohne ein funktionierendes Diversity Management Missverständnisse und Vorurteile vorprogrammiert sind.

Vorurteile in punkto Diversität

“This almost mystical faith in ´getting to know one another´ as a solvent of racial tension is very widespread.” (Drake & Cayton 1962)

Obwohl in der Wissenschaft schon lange widerlegt, sind noch zu viele Unternehmer der pauschalen Annahme, dass man nur aufgrund von interkulturellem Kontakt Akzeptanz bzw. ein harmonisches Miteinander erzeugen könne. Leider haben zahlreiche Studien bereits das Gegenteil belegt.

So verbessert der intensive Umgang meist nicht die Beziehungen zwischen den Gruppenangehörigen, sondern verschärft sie noch, sofern von höherer Instanz nicht für entsprechende Kontaktbedingungen gesorgt wird. Diese sind vielfältig und können in diesem Rahmen nicht ausführlich dargelegt werden, aber beispielsweise können gleicher sozialer Status unter den Gruppenmitgliedern sowie kooperative Zusammenarbeit für das Erreichen eines gemeinsamen Ziels als zwei der wichtigsten Bedingungen genannt werden, die den interkulturellen Kontakt positiv beeinflussen.
Weitere Informationen hierfür finden sich unter dem Stichwort „Kontakthypothese“ oder u.a. unter folgendem Link. 

Im Kontext Gender-Diversity bestehen ebenfalls zahlreiche hartnäckige Vorurteile, die allseits bekannt sind und nicht selten zu Konflikten innerhalb einer Gruppe führen. So wird unermüdlich behauptet, Frauen verfügten über eine deutlich ausgeprägtere emotionale Intuition als Männer, wohingegen Männer durch ein besonders stressresistentes Mindset brillieren sollen. Goleman fasst in diesem Zusammenhang sehr treffend zusammen:

„Wann immer große Gruppen mit Männern und Frauen miteinander verglichen werden, gleichgültig, in welcher psychologischen Dimension, findet man mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede“ (Goleman D. (1999) Der Erfolgsquotient. Carl Hanser Verlag: München S. 392)

Was sollen diese kurzen Beispiele am Ende andeuten?

Beim Thema Diversität kann man nichts für bare Münze nehmen und sollte stets seine eigenen Überzeugungen und Denkweisen hinterfragen. Schulungen und Workshops sind hier nicht nur hilfreich, sondern zwingend erforderlich, um sich von seiner eigenen durch soziale Konventionen geprägten Gedankenwelt zu lösen und bestehende Hürden einzureißen. Besonders auf Leitungsebene sollte man die Verantwortung für die Zusammenführung heterogener Personalstrukturen annehmen und sich lern- und entwicklungsbereit zeigen. Denn die hier grob umrissenen Beispiele sind nur ein Bruchteil dessen, was eine bunt gemischte Belegschaft an Herausforderung mit sich bringt.

Vorurteile in punkto Kreativität

Doch wie bereits angedeutet wird nicht nur das Thema Diversity von Vorurteilen beherrscht, sondern auch der Kreativitätsbegriff. So denkt man landläufig, dass eine Person entweder kreativ ist oder eben nicht. Allerdings ist Kreativität eher selten der eine geniale Geistesblitz, der sich nach dreißigminütigem exzessivem Brainstorming einstellt.

Denn die wenigsten innovativen und kreativen Einfälle entstehen während eines unkontrollierten Wirrwarrs von Ideenaustausch, sondern im Zuge einer systematischen Suche nach Problemlösungen. So spontan und unmethodisch Kreativität in ihrem Kern auch sein mag, so wichtig ist es, sie in die richtigen Bahnen zu lenken, damit sie am Ende die gewünschte Wirkung erzielen kann.

Welche Rolle kann jedoch letztendlich Diversität im kreativen Prozess spielen?

Ohne Zweifel eine entscheidende, denn Ideen, Innovationen und kreative Impulse entstehen stets aus den Grenzbereichen verschiedener Wissensgebiete. Und hier schließt sich der Kreis. Zeichnet sich eine Gruppe durch eine starke Heterogenität aufgrund verschiedener persönlicher Marker aus, so arbeiten Menschen mit den verschiedensten Hintergründen und Sichtweisen an einem Problem, dass sie somit auch von verschiedenen Seiten angehen können. Die Vernetzung von unterschiedlichen Wissensbereichen und Denkwelten führt am Ende zu kreativen Ideen, wodurch sich oft ganz neue Lösungsansätze eröffnen.

Diese Lösungsansätze fallen allerdings nicht über Nacht vom Himmel.

Gut Ding braucht Weile und das gilt auch für den manchmal recht beschwerlichen Weg des kreativen Denkens, welcher abschließend mit einem Zitat des Künstlers Philip Guston beschrieben wird:

“Das menschliche Bewusstsein bewegt sich, aber es macht keine Sprünge. Es bewegt sich zentimeterweise. Ein Zentimeter ist ein kleiner Schritt, aber dieser Schritt ist alles. Man macht einen Sprung, und dann muss man zurückkommen und sehen, ob man diesen Zentimeter gehen kann.”

 

Carolyn Klein – Marketing Associate

 

*Allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei der Personenbezeichnung in diesem Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Die verkürzte Sprachform hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keinerlei Wertung. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter.