Genau vor einer Woche war es endlich so weit. Die ersten Daten aus der Wirksamkeitsstudie des von Biontech/Pfizer entwickelten Impfstoffes wurden vorgestellt. Wie zu erwarten war die Resonanz enorm, auch wenn die Begeisterung in Expertenkreisen noch gedämpft ist. Denn obwohl dieser Fortschritt als erster großer Durchbruch in der Covid-19 Impfstoffentwicklung gefeiert wird, sind sich Fachleute und Medien weitestgehend einig: Das Licht am Ende des Tunnels ist zwar zu sehen, aber noch nicht zum Greifen nah.

Die harten Fakten im Überblick:

Steckbrief zum neuen Covid-19 Impfstoff:

Name:                          BNT162 b2

Herkunft:                   Biontech/Pfizer

Nationalität:              deutsch/amerikanisch

Stärken:                        –   90% Wirksamkeit

–   Wahrscheinlich geringe Nebenwirkungen

–    Eventuell schnelle Verfügbarkeit

–    vielversprechende mRNA-Technologie

Schwächen:                –    Fehlende Werte aufgrund noch laufender Studien

–    Geringe Mengen an Impfstoff

    Zweimalige (!) Injektion

 

Auch wenn ein bisschen Leichtigkeit nach Monaten des Bangens und Entbehrens sicherlich guttut, bis zu einem sicheren und salonfähigen Vakzin ist noch ein Stück Weg zurückzulegen.

Wir fassen für Sie zusammen, welche Stolpersteine der Impfstoff noch überwinden muss, damit er uns wieder zu einem „normalen“ Alltag wie vor Corona verhelfen könnte.

1. Effektivität für Menschen aller Bevölkerungsgruppen?

Nach dem heutigen Stand geht der Biontech Chef Ugur Sahin davon aus, dass der neue Impfstoff eine Wirksamkeit von 90% aufweist. Dieser Wert ist sicherlich mehr als erfreulich, allerdings bleiben Fragezeichen bestehen, auch was z.B. die Effektivität des Vakzins in den unterschiedlichen Altersgruppen betrifft. Hier zeigt sich eine durchaus entscheidende Lücke in den Erfahrungswerten, denn zweifellos ist die Immunantwort älterer Menschen schwächer als die jüngerer Impfstoffempfänger*. Sahin gab in diesem Zusammenhang jedoch an, dass die Hälfte der Probanden über 65 Jahre alt gewesen sei, weshalb er auch bei Menschen älterer Jahrgänge von einer hohen Wirksamkeit des Präparats ausgehe. Dennoch bleiben hier weitere Werte abzuwarten.

2. Auch ein verkürzter Weg zur Zulassung dauert seine Zeit

Mit BNT162 b2 geht der zweite Covid-19 Impfstoff nach AZD1222 – ein Vakzin von Astra Zeneca und der Universität Oxford – in das sogenannte „Rolling-Review-Verfahren“. Hier handelt es sich um ein Verfahren mit beschleunigter Begutachtung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA. Anders als üblich werden hier die Daten aus der klinischen Prüfung fortlaufend und nicht erst gesammelt am Ende der Studie eingereicht und überprüft. Durch diese Vorgehensweise gewinnt der EMA-Ausschuss einen schnelleren Überblick und sieht sich frühzeitig in der Position zu entscheiden, ob ein Prüfpräparat für eine Marktzulassung bereit ist oder nicht.

Gewartet wird jetzt zum einen auf die Gesamtdaten der Biontech/Pfizer – Studie sowie auf die Zwei-Monats-Daten zu Nebenwirkungen der Immunisierung, die in der dritten Novemberwoche erwartet werden. Sie sind u.a. Voraussetzung für eine vorzeitige Zulassung.

Derzeit gehen Fachleute davon aus, dass eine Zulassung für Europa frühestens Mitte Dezember erfolgen könnte.

3. Hoher Bedarf, geringe Verfügbarkeit

Eine gerechte Verteilung des neuen Impfstoffes; Das verspricht Biontech und vereinbart mit der EU in einem mit der EU-Kommission ausgehandelten Vertrag eine Abnahme von bis zu 300 Millionen Impfdosen. Bei der Ausgabe dieser Impfdosen an die einzelnen Länder spielt dann der Bevölkerungsschlüssel die entscheidende Rolle. Soll heißen: Je höher die Bevölkerungsdichte, desto mehr bekommt das Land. Allerdings kursieren in den Medien momentan auch Zahlen, die von diesem Rechenmodell abweichen.

Da die Firmen teils schon vor Abschluss der entscheidenden Phase-III-Studie mit der Impfstoffproduktion beginnen, wird dieser kurz nach einer Zulassung auch verfügbar sein. Die Mengen werden jedoch keinesfalls reichen, um die breite Bevölkerung zu immunisieren.

Obwohl Biontech/Pfizer momentan die Nase vorn haben, steht daher außer Frage, dass noch weitere Impfstoffe folgen müssen, um eine flächendeckende Versorgung garantieren zu können. In der Süddeutschen Zeitung wird das aktuelle Dilemma an folgendem Rechenbeispiel veranschaulicht:

50 Millionen Dosen des ersten Impfstoffs könnten bis zum Jahresende weltweit zur Verfügung stehen. […] (dies bedeutet) bei reibungsloser Logistik, zweimaliger Impfung und einer absolut effektiven Verteilung der Dosen auf die beteiligten Länder, dass im besten Fall fünf Prozent aller US-Amerikaner und Europäer bis Januar oder Februar geimpft sein werden. 

Somit schaut die Welt weiter auf die anderen Impfaspiranten, die von Unternehmen aus aller Welt zur Bekämpfung der Pandemie ins Rennen geschickt werden.

Forschungsstand weiterer Covid-19 Impfstoffe

Insgesamt befinden sich neben Biontech/Pfizer noch 9 weitere Unternehmen mit ihren Präparaten in sogenannten Phase III-Studien.

Dazu gehören:

  1. Oxford University (UK) / AstraZeneca Life Science
  2. Moderna (USA)
  3. Wuhan Institute of Biological Products / Wuhan Institute of Virology der Chinesischen Akademie der Wissenschaften / Sinopharm
  4. Sinovac Biotech
  5. Beijing Institute of Biological Products / Sinopharm
  6. Gamaleya-Forschungszentrum für Epidemiologie und Mikrobiologie (Russland), Gesundheitsministerium von Russland
  7. CanSino Biologics (China) / Beijing Institute of Biotechnology, Academy of Military Medical Sciences, PLA of China
  8. Janssen (Johnson&Johnson)
  9. Novavax

Momentan zählt die WHO 202 Projekte, die sich mit der Entwicklung eines wirksamen Covid19-Vakzins beschäftigen.

Heute, am 16.11.2020, hat der US-Pharmakonzern Moderna nachgezogen und bekannt gegeben, dass ihr RNA-Impfstoff eine Wirksamkeit von sogar 94,5% aufweise. Die Entwicklungen nehmen somit spürbar an Fahrt auf, auch wenn das Warten auf gesicherte Daten unsere Geduld noch einige Zeit auf die Probe stellen wird!

 

Carolyn Klein – Marketing Associate

 

*Allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei der Personenbezeichnung in diesem Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Die verkürzte Sprachform hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keinerlei Wertung. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter.