Die Mitarbeiter* einer Firma sind ihr größtes Kapital. Es gibt wohl kaum einen Personalentscheider, der dieses Zitat nicht unterschreiben würde.

Aber wie filtert man den geeigneten Bewerber aus einem Kandidatenpool heraus und wie kann man seine Potenziale im Vorfeld erkennen?

Neben dem klassischen Vorstellungsgespräch (mehr in unserem Blog) besteht u.a. die Möglichkeit des Einsatzes von Eignungs- und Intelligenztests. Bislang werden diese in Deutschland jedoch lediglich in 30% der Unternehmen eingesetzt. (GET AHEAD Studie 2017)

Im folgenden Beitrag werden wir näher darauf eingehen, warum der schlechte Ruf von Persönlichkeitstests nicht gerechtfertigt ist und welche Anhaltspunkte auf die Brauchbarkeit und berufliche Alltagstauglichkeit eines Tests hindeuten. 

Wenn man auf der Suche nach einem beruflichen Persönlichkeitstest ist, wird man von der Anzahl möglicher Messinstrumente nicht enttäuscht sein. Es gibt sie in rauen Mengen. So werden z.B. im Harvard Business Manager 7 Managertypen unterschiedenC.G Jung und Jolande Jacobi gehen von einem 8-Typen-Modell aus und im Rahmen der bekannten Big Five nähert man sich anhand von 5 Skalen den Persönlichkeitsmerkmalen des Probanden an.  

Die Verwendung von Persönlichkeitstests in Deutschland

Vor allem in Deutschland stellen sich viele Personalverantwortliche die Frage, ob derartige Messinstrumente wirklich in der Lage sind, den Charakter eines Bewerbers oder Mitarbeiters valide und seriös zu bewerten.

Während in anderen Ländern Eignungstests in Vorstellungsgesprächen an der Tagesordnung stehen, reagiert man in Deutschland bislang deutlich verhaltener.

Vielen erscheinen solche Tests zu anrüchig und unwissenschaftlich und man orientiert sich bevorzugt in einem freien Interview an dem eigenen Bauchgefühl.

Doch ist diese Skepsis wirklich immer berechtigt? Kann ein Face-to-Face Gespräch allein wirklich am Ende ein erfolgreiches Auswahlverfahren darstellen? 

Nach Jens Nachtwei und C. Schermuly (2009) sind es gerade diese Vorbehalte gegenüber Intelligenz- und Eignungstests, die dafür sorgen, dass das Rennen um qualifizierte Mitarbeiter oftmals verloren geht. In ihrem Artikel „Acht Mythen über Eignungstests“ konstatieren die beiden Autoren, dass es keine geeigneteren Auswahlinstrumente gibt, die den später zu erwartenden Berufserfolg so genau messen. In einer zweiteiligen Studie sind sie u.a. der zentralen Fragestellung nachgegangen, woran es liegt, dass Eignungstests in Deutschland so wenig verbreitet sind.

Folgende Gründe wurden hierfür von den befragten Unternehmen genannt: 

  1. Persönlichkeitstests sind für kleinere Firmen ungeeignet. 
  2. Sie sind zu unpersönlich.
  3. Sie schrecken Bewerber ab. 
  4. Sie erzeugen Angst beim Kandidaten, was die Ergebnisse verzerrt. 
  5. Sie werden den verschiedenen Facetten einer Persönlichkeit nicht gerecht. 
  6. Sie sind manipulierbar. 
  7. Sie haben keinen Bezug zum Berufsalltag. 
  8. Sie sind bei Führungskräften überflüssig, da der Verlauf der Karriere Beweis genug für die Eignung darstellt.  

Auch wenn die Autoren der Studie alle genannten Vorbehalte ausräumen und den wissenschaftlichen Wert von Eignungstests untermauern können, betonen sie die Wichtigkeit eines direkten Kontakts und empfehlen eine Kombination aus Eignungstest und gut strukturierten Interviews.  

Unsere Empfehlung: Testen Sie Bewerber nur dann mithilfe von Eignungstests, wenn gewährleistet ist, dass deren Potenzial zusätzlich in einem persönlichen Gespräch überprüft wird.

Am Ende ist die Tauglichkeit solcher Tests wie so oft an deren Qualität und korrekter Durchführung gekoppelt. Überspitzt gesagt ist es sicherlich nicht sinnvoll, wenn ein Chef Kandidaten mit Sternzeichen Waage grundsätzlich bevorzugt, weil dieser Personengruppe eine vermeintlich hohe soziale Kompetenz nachgesagt wird. 

Natürlich kommt es auf die wissenschaftliche Grundlage des entsprechenden Messinstrumentes an. Allerdings hapert es hier in den Unternehmen, die auf diagnostische Methoden im Personalauswahlverfahren setzen. Laut der GET AHEAD Studie aus dem Jahr 2017 werden viele eingesetzte Eignungstests von den Verantwortlichen nicht ausreichend im Vorfeld auf den Prüfstand gestellt. 

“Überraschend ist, dass unter den mehr als 13 standardisierten Tests auch einige Verfahren genannt werden, deren mangelhafte diagnostische Eignung schon vor über 15 Jahren von der Forschung dokumentiert wurde.”

Zudem wurden vereinzelt sogar Verfahren angewendet, die explizit für den medizinischen Bereich entwickelt wurden und somit für die Auswahl von Managern keinerlei Aussagekraft besitzen. Zu selten werden also Methoden auf ihre wissenschaftliche Tauglichkeit und erforderlichen Gütekriterien hin überprüft.  

Zu den klassischen Gütekriterien zählen: 

  • Hohe Objektivität bei Vorbereitung, Durchführung, Auswertung und Interpretation des Tests. 
  • Hohe Reliabilität = Zuverlässigkeit und Genauigkeit bei Messung eines bestimmten Merkmales. 
  • Hohe Validität = Inhaltliche Übereinstimmung der empirischen Messung mit dem logischen Messkonzept. 

 

Weitere wichtige Anforderungen an Eignungstests sind u.a.: 

  • Vollständigkeit und Anschaulichkeit der Instruktionen. 
  • Angemessener Kosten- und Zeitaufwand für Vorbereitung, Durchführung, Auswertung und Interpretation. 
  • Akzeptanz der Testverfahren bei Teilnehmern. 
  • Rechtstreue. 
  • Zielgruppenspezifische Konzeption.  

 

Sind all diese Voraussetzungen erfüllt, steht einem Einsatz von Persönlichkeitstests eigentlich nichts mehr im Weg. Doch Vorsicht ist und bleibt die Mutter der Porzellankiste. Ein Test, der als besonders valide, reliabel und objektiv angepriesen wird, aber keine entsprechenden wissenschaftlichen Nachweise liefert, sollte nicht unbedingt die erste Wahl sein. Nehmen Sie sich die Zeit für eine ausführliche Recherche, um solides Testmaterial zu finden, dass auf Ihren Bedarf zugeschnitten ist und orientieren Sie sich u.a. an den genannten Gütekriterien. Der Aufwand zahlt sich am Ende in jedem Fall aus!  

 

Carolyn Klein – Marketing Associate

 

*Allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei der Personenbezeichnung in diesem Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Die verkürzte Sprachform hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keinerlei Wertung. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter.