6 Homeoffice Nachteile, die Sie kennen müssen

Homeoffice – die Allzweckwaffe in der Corona-Pandemie – wurde notgedrungen für viele die Rettung in der Not.
Auch wir als Personalberatung in den Life Sciences mussten zeitweise komplett auf Homeoffice umstellen und haben hier die wichtigsten Tipps für erfolgreiches Arbeiten im Homeoffice dokumentiert. Jedoch bietet auch Homeoffice Nachteile.

Laut ifo-Institut haben in der Krise ca. 60% der Firmenbelegschaften von Zuhause aus gearbeitet.
Das ist ein Anstieg um 20%, betrachtet man die Zahlen vor der Corona-Krise. Berichtet wurde in den Medien anfangs vornehmlich positiv. So spare das Arbeiten in den eigenen vier Wänden Zeit und Geld, erhöhe die Produktivität und habe u.a. auch ökologische Vorteile aufgrund verminderter Reisetätigkeiten. Doch obwohl all dies sicherlich auf einige Arbeitnehmende zutreffen mag, mehren sich zunehmend die negativen Stimmen, die gewisse Homeoffice Nachteile kritisch betrachten.

Die Technik – das alte Lied

An dieser Stelle muss man tatsächlich das Pferd von vorne aufzäumen. Von ganz vorne.
Denn in Deutschland, und das ist nach wie vor schwer zu begreifen, bleibt schnelles Internet für viele Bürger* ein Wunschtraum.
Aktuell liegt die Bundesrepublik laut Speedtest Global Index lediglich auf Platz 32 im Bereich fest eingerichteter Breitbandversorgung.

Dieser schleppende Netzausbau rächte sich in der Corona-Krise doppelt! Denn wie soll man einer Videokonferenz beiwohnen, wenn man bereits beim Laden der entsprechenden Seite genug Zeit hat, sich noch schnell einen Kaffee zu machen. Zudem gaben in einer aktuellen Umfrage des Personaldienstleisters Robert Half 21 Prozent der Befragten an, dass der Umgang mit Technik und Tools ein Grund sei, warum man nicht mehr im Homeoffice arbeiten wolle.

Doch nicht nur “profane” Gründe sprechen gegen ein Arbeiten von Zuhause.

Allein daheim – Homeoffice und seine psychischen Fallstricke

Kein Chef, der einem über die Schulter schaut, keine Kontrollinstanz, die das eigene Tun kritisch überprüft. Auf den ersten Blick hört sich das herrlich an, nach einem Traum, aus dem immer mehr Arbeitnehmer jedoch leider böse erwachen. Nicht jeder kann mit der Souveränität gut umgehen, Arbeit und Privatleben sinnvoll zu trennen und während der Arbeitszeit auch effektiv zu bleiben.

Gleichzeitig verspüren laut Oliver Stettes, Ökonom am Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, Personen im Homeoffice einen höheren Druck, bei möglichst ununterbrochener Erreichbarkeit besonders gute Arbeit leisten zu müssen. Denn Homeoffice bedeutet auch, dass die eigenen Anstrengungen und Leistungen von niemandem gänzlich wahrgenommen werden können. Ob ein wenig überzeugendes Ergebnis mit dürftiger Arbeit oder problematischen Umständen zusammenhängt, kann hier meist schwerer nachvollzogen werden.

Das Büro als Ort der sozialen Begegnung

In der Pandemie wurde und wird viel über Schüler und die psychischen Konsequenzen von Schulschließungen diskutiert und geschrieben. Unstrittig ist, dass der Unterrichtsausfall teils massive Auswirkungen auf das Seelenleben von Kindern und Jugendlichen hat. Von verschiedenen Ängsten ist zu lesen, die sicherlich nicht zuletzt durch die erzwungene Einsamkeit verstärkt werden.

Was für Kinder die Schule ist, ist für viele Erwachsene ein Stück weit das Büro.

Auch hier gaben in der bereits zitierten Umfrage der Robert Half Personaldienstleistungen knapp 28 Prozent der Befragten an, künftig nicht mehr im Homeoffice arbeiten zu wollen, da sie den Umgang mit Kollegen im Büro vermissten und sich zu Hause einsam fühlten.

Eine Umfrage des Coworking-Space-Vermieters Wework und des Unternehmens Brightspot Strategy zeigte sogar differenzierter auf, dass ganze 90% gerne zumindest für einen Tag in der Woche zu ihrem normalen Arbeitsplatz zurückkehren würden.

Besonders in Zeiten der Krise kann – sofern es die Lockdown-Regeln erlaub(t)en – das Büro zum rettenden Anker auf turbulenter See sein, wie die britische Wirtschaftsjournalistin Lucy Kellaway in ihrem Beitrag „we will miss the office if it dies“ auf den Punkt bringt.

[the office] gave me routine, structure, amusement, purpose, many friends and a refuge in times of trouble […] The office was my rock. (Financial Times/15 Mai 2020)

Betrachtet man die Zahlen aus oben genannten Umfragen würden nicht wenige Arbeitnehmer diese Zeilen wohl unterschreiben.

Es sind die kurzen Tür- und Angelgespräche, die kurzen ungeplanten Interaktionen, die fehlen und die auch Grundlage für den Zusammenhalt einer Belegschaft darstellen. Ohne diesen losen Austausch leidet die Firmenkultur und viele Mitarbeiter laufen Gefahr, sich vom eigenen Unternehmen nicht nur räumlich zu entfernen.

Die Frage der Produktivität

Die Aussagen zur Produktivität im Homeoffice sind oftmals widersprüchlich, was bereits ein Vergleich zweier Artikel aus der Zeit online zeigen. Während im Juli die Stimmen noch überwiegend positiv waren und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Job im Vordergrund stand, titelte das Blatt im November, dass Unternehmen das Homeoffice skeptischer sähen als Arbeitnehmer. Denn laut einer Unternehmensumfrage wirke sich das häusliche Arbeiten oftmals eben nicht immer positiv auf die Produktivität der Mitarbeiter aus.

In Zahlen gesprochen: Lediglich 5,7 % der Arbeitgeber sprechen von einer Steigerung der Produktivität im mobilen Arbeiten, 30,4 % sehen die Leistungen unverändert und ganze 27% verzeichnen sogar eine gesunkene Produktivität ihrer Belegschaften. Die Arbeitnehmerseite scheint die Situation allerdings anders einzuschätzen. Laut einer Befragung der DAK gaben 59 % der Arbeitnehmer an, durch mobiles Arbeiten mehr leisten zu können als an ihrem normalen Arbeitsplatz.

Produktivitätssteigerungen aufgrund von Ängsten?

Der Harvard Business Manager publizierte im November letzten Jahres einen Liebesbrief an das Büro, geschrieben von Gianpiero Petriglieri, Associate Professor für Organisationsverhalten. Neben den bereits angesprochenen sozialen Aspekten bringt er noch einen weiteren zentralen Faktor ins Spiel, den Arbeitgeber seiner Meinung nach bei dem Thema mobiles Arbeiten im Blick haben sollten. Angst!

Wenn ich Berichte über Manager lese, die sich für Remote-Work-Lösungen entschieden haben, weil die Produktivität ihrer Mitarbeiter im Homeoffice so stark gestiegen sei, sträuben sich mir die Haare. Und ich wünschte, wir Wissenschaftler würden mehr dazu sagen als: “Das haben wir ja schon gewusst.” Natürlich haben wir es gewusst. Und wir wissen auch, dass diese Produktivitätssteigerungen oft damit zu tun haben, dass die Mitarbeiter mehr Angst haben. (Harvard Business Manager, 16.11.2020)

Die Angst, die geforderten Zahlen nicht zu erreichen, den Eindruck zu vermitteln, ineffektiv oder gar faul zu sein oder schlicht die Sorge, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren. All dies habe Mitarbeiter in den letzten Monaten mitunter dazu bewogen, härter zu arbeiten und teilweise über ihre eigenen Grenzen hinauszugehen.

Kontrolle dank digitalem Fortschritt

Dabei tappten viele Vorgesetzte keineswegs im Dunkeln, wenn es um die Arbeitszeiten Ihrer Mitarbeiter im Homeoffice ging. Überwachungssoftware macht es möglich.

Das Remote-Unternehmen Hubstaff, das Personalüberwachung über Zeiterfassungssoftware anbietet, verzeichnete laut seines CEO einen dreifachen Anstieg der Nutzertests von März bis Mai 2020.

Alleine diese Entwicklung gibt durchaus zu denken. Wie weit wollen wir die Technisierung im Zeichen der Produktivitätsmaximierung unserer Arbeitsprozesse voranschreiten lassen? Arbeiten wir für konkrete Menschen, Unternehmen und Visionen oder für die Erfüllung von verschiedenen Algorithmen? Noch mag diese Frage manchen absurd erscheinen, aber der Weg ist bereitet. Die Frage ist, wie weit wir ihn gehen wollen.

 

Carolyn Klein – Marketing Associate

*Allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei der Personenbezeichnung in diesem Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Die verkürzte Sprachform hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keinerlei Wertung. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter.